Samstag, 15. Juli 2017

Politik und mein eigenes Leben

Was in der Welt geschieht, beschäftigt mich. Auch wenn ich kein informierter Mensch bin. Mich nerven rechte und linke Parolen gleichermassen. Von politischem Aktionismus fühle ich mich oft abgestossen. Partei-Grabenkämpfe lösen bei mir nur einen Gähnreflex aus. Sachpolitik finde ich interessanter -- und Wirtschaftsthemen sogar sehr hochspannend. 

So bekomme ich doch das eine oder andere mit. zB Block G20. Ich selber war noch nie an irgend einer Versammlung oder Demo. Weil das nicht zu mir passt, weil es für mich nicht stimmt. Weil Menschenmengen mir Angst machen. Weil ich gar nicht wüsste, wo genau ich mich einreihen soll. Weder von der politischen noch von der thematischen Agenda her. In einer Welt in der sich die Extreme (Politik, Ressourcenverteilung, Klima) sich immer stärker entwickeln, frage ich mich, ob das noch stimmig ist.

Müsste ich mich nun nicht einordnen, Farbe bekennen? Wo? Wie?

Wobei vieles für mich auch nicht transparent ist. Oft sitze ich beispielsweise ratlos vor meinen Abstimmungs- und Wahlunterlagen, was in der Schweiz ja das öfteren an der Reihe ist. Wer will mir was auf welche Art verkaufen und was steckt wirklich dahinter? Ich weiss es oft nicht genau. Kann mich nur auf die vorhandenen Informationen stützen.

Ich muss von gewissen Annahmen ausgehen und mich dann entscheiden. Bei vielem ist das so. Ob es nun um Politik geht oder um etwas anderes.

Was mir sauer aufstösst ist, wenn nur noch über "die" geredet wird, denn da wirds meistens kritisch, denn ab da wird gnadenlos heruntergekürzt.

Die PolitikerInnen, die AktivistInnen, die SozialschmarotzerInnen, die Bosse, die AusländerInnen, die Rechten, die Linken, die Behörden. Danach kommen gleich die Kampfansagen und Parolen und darauffolgend wird Stellung bezogen und gekämpft. Egal worum es geht, Hauptsache es gibt ein fixes Bild.

Die Wut und Verunsicherung vieler Menschen kann ich allerdings verstehen. Die Welt scheint komplett aus den Fugen geraten zu sein. Wir leben in einem seltsamen System, in dem wir viele Freiheiten haben und das sich trotzdem wie permanente Fremdbestimmung anfühlt. So geht es mir jedenfalls.

Die Arbeit ist nicht unbedingt mehr sinnstiftend, sondern ein abstrakter Vorgang geworden an dessen Ende der Lohn steht. Das ist wohl das, was man Digitalisierung nennt: alles wird virtueller. Das ganze Leben. Die Emotionen sind trotzdem noch da. Auch die Gefühle, Hoffnungen.

Die Wut und Verunsicherung vieler Menschen wird realer. Schent mir. Doch wogegen protestieren? Achja: Gegen die da oben!

Dass wir alle Teil des Systems sind, geht dann vergessen. Weil endlich der Kanal und das Feindbild geschaffen wurde, in den der ganze Frust fliessen kann. Auflehnung gegen die Autorität.

Dass durch die jüngsten Vorfälle in Hamburg nun politische Rechte und die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden könnten, Journalisten auf Watchlists der Behörden stehen etc. das gibt mir zu denken.

Ich bin kein Mensch, der sich dermassen weit aus dem Fenster lehnen würde, aber ich bewundere dennoch diejenigen, die es tun. Jene die sich für eine bessere Welt einsetzen. Weil ich das wichtig finde: Hinschauen und Aussprechen was es ist. Wenn es mehr ist, als nur Hass zu verbreiten, dann ist das wichtig.

Und manche schauen professionell hin und exponieren sich dadurch, zB eben auch JournalistInnen und PolitikerInnen. Nicht alle gehören einem extremen Lager an. Doch wer nicht laut ist, wird im globalen Tollhaus scheinbar nicht gehört. Das ist eine einfach Gleichung. Nur die Extreme gelangen auf Seite 1 und machen die Schlagzeilen. Schlagzeilen die wiederum den Hass schüren.

Mein Land ist im Ranking der Pressefreiheit recht weit vorne, weiter vorne als Deutschland. Trotzdem; wie weit würde ich gehen? Wo stehe ich selber? Wozu äussere ich mich und wie?

Ich lehne die Anwendung von Gewalt ab. Für mich ist dies einfach kein Mittel solange es noch andere Wege gibt. Besonders mutig bin ich nicht. Aber ich will mich frei äussern. Ich fühle mich manchmal ratlos angeischts der Geschehnisse in der Welt, muss das auch so benennen -- und ich kann nur meinem eigenen Gewissen folgen.

Ich glaube, dass diejenigen Menschen die laut Parolen brüllen und diejenigen, die durch ihr eigenes Leben und Handeln wirklich zur einer globalen Veränderung beitragen, nicht unbedingt die selben sind. 

Wie will ich selber handeln?
Bin ich selber bereit, mein Leben unter die Lupe zu nehmen?

Wozu schweige ich und wann mache ich den Mund auf? 

Nur noch kurz die Welt retten -- geht nicht. Denn die Welt zu retten, das geht auf jeden Fall nicht schnell und einfach ... Und Hass führt nur zu neuem Hass. 

Sind diejenigen, die in der westlichen Welt nach Umverteilung der Güter und anderem mehr schreien, bereit auf eigene Annehmlichkeiten zu verzichten oder tuns sies nur, weil es gerade chic ist, empört zu sein und irgendwo "gegen" zu sein? 

Diese Betroffenheitskultur mag zwar sinnstiftend sein, ist sie auch zielführend, dient sie denjenigen um die es geht wirklich? Nützt Globalisierungskritik den Opfern der Globalisierung?

Wer steht zu Kompromissen und den eigenen Grauzonen im eigenen bewussten Handeln?
Wer kann Schwächen und gemachte Fehler öffentlich zugeben?

Auf dem Teppich bleiben ... und menschlich veträglich.




P.S.
Ich merke, wie unfertig das ist, was ich schrieb. Trotzdem lasse ich es genau so stehen. Notizen von unterwegs sind immer Fragmente, laut Gedachtes, Momentaufnahmen aus meiner Welt und aus meiner Weltsicht. Ich glaube daran, dass die Welt nur aus dem Subjektiven heraus zum Besseren verändert werden kann. Aus persönlichem Engagement heraus, aus wahrgenommener Selbstverantwortung. Auch dadurch, dass man andere gelten lässt und sie nicht niederschreit. Es gibt zu viel Geschrei, auch digitales.





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