Freitag, 24. Mai 2013

Leben (mit dem) Tod

Leben die Toten von den Lebenden?
Kurz flog mir dieser Satz durch den Kopf, der etwas seltsam anmuten mag. Ich kann das Ganze noch nicht ganz fassen, es ist mehr ein Brainstorming, das ich aus einem inneren Bedürfnis heraus festhalten möchte. Es sind eher Samhain-Gedanken, Allerseelennotizen – doch das Wetter ist auch danach!

  • Die Verstorbenen leben durch unsere Erinnerung weiter. Wir halten sie gewissermassen lebendig. Manchmal auch in etwas schauriger Weise;
  • Manche Hinterbliebenen können nicht loslassen, wagen das eigene Leben nicht (mehr) – und bauen aus den Erinnerungen gewissermassen Luftschlösser in denen sie dann leben. Ich kann es verstehen, für mich ist es nicht der richtige Weg. Aber ich weiss nicht, was wäre, würde ich eine ganz grosse Liebe verlieren. Wobei, verliert sich Liebe überhaupt?!
  • Sterbende, alte und kranke Menschen können durchaus "zehren", dies meine ich nicht wertend. Ich habe es schon zweimal erlebt, dass mich jemand während seines Sterbens fast mitnahm, obwohl ich nicht körperlich anwesend war. Und ich habe erlebt, wie fordernd es ist, jemanden zu betreuen der hochbetagt ist, wenn ich auch nur die Gesellschafterin und Gärtnerin war
  • Memento mori. Den Toten gedenken – aber auch der eigenen Sterblichkeit. Thema vieler alter Stillleben. Vanitas. Alles ist eitel und vergänglich. Füllhörner neben Aas. Granatäpfel und Motten. Kleine Denk.Mäler. Das ist aus der Mode gekommen. Vor allem das mit der Sterblichkeit … Ich denke selber auch nicht besonders gerne daran, beobachte das Älterwerden, vorallem meines Körpers, mit Skepsis. Bin wohl in dieser Angelegenheit doch ein Kind meiner Zeit …
  • Ich glaube nicht, dass Selbstmord der "schlechtere Tod" ist und "weiteres Leiden nach dem Tod" nach sich zieht, wie manche behaupten. Ich glaube an den freien Willen. Auch wenn ich erfahren habe, wie bitter es schmeckt, trauernd, mit leeren Händen und vielen Fragen zurückzubleiben.
  • Ich glaube, man kann Streit und Schwieriges auch noch nach dem Tod eines Menschen mit diesem klären und ausdiskutieren, ich glaube dazu braucht es nur die Bereitschaft, sich diesem Weg und der Seele des anderen zu öffnen
  • es ist noch einiges Weitere in mir, für das ich gerade noch keine Bilder finde, bin auch langsam etwas müde … und meine Frage aus dem Titel kann ich auch nicht beantworten, …
In manchen Kulturen darf der Name des Verstorbenen niemals wieder erwähnt werden. Fort ist fort! Doch ich glaube es gibt mehr Kulturen, in denen die Erinnerung und sogar die Verehrung der Ahnen gelebt wird: Einige Kulturen pflegen die Tradition, die Toten ganz nahe zu behalten, aufzubahren, einzubalsamieren oder im Lehmboden unter der Hütte zu vergraben (wenn ich mich recht erinnere ) … Andernorts werden Ahnenschreine betreut und das Andenken an die Verstorbenen wird so bewahrt. So gehört bei einem Teil meiner Verwandtschaft (im Schwäbischen) der Gang auf den Friedhof – Giessen, Gärtnern, Gedenken – zum alltäglichen Leben.

Ich pflege eine Mischung aus alle dem, betreibe aber keinerlei regelmässigen Kult. Meine eigenen lieben Toten bewahre ich in der Erinnerung, zünde ab und zu eine Kerze an, wenn mir danach ist. Ich brauche keinen Friedhof, um ihnen nage zu sein. Ich sinniere auch über weniger geschätzte verstorbene Menschen nach, versuche zu erahnen, welches wohl ihr Lebensmotto war, warum sie wurden wer sie waren. Allgemein fühle ich mich der Seele eines verstorbenen Menschen an seinem Lebens- und Wirkungsort nahe – oder bei einer Tätigkeit, die Erinnerungen auslöst, gemeinsam Erlebtes widerspiegelt. Ein Lied, ein Satz …eine Blume – vieles verbindet sich zu etwas Gemeinsamem.

Allgemein widerstrebt es mir, meine Meinung starr zu halten oder mich selbst an einem Ritual oder einem bestimmten Glauben festzumachen – und das betrifft auch den Tod und die Toten. Beschäftigen tut es mich immer wieder, vorallem wenn ich an den Selbstmord meines Bruders denke. Die Erinnerung verblasst nach und nach, die Fragen sind nach wie vor da. Doch ich lebe damit, es gehört zu meinem Kosmos, hat seinen Platz dort. Warum auch immer. Manche Fragen mag ich nicht mehr stellen, weil ich gar keine Antwort (mehr) haben möchte.

Memento mori. Gedenken.
Carpe diem. Das Leben auskosten.

3 Kommentare:

  1. ich finde Dein Post sehr interessant. Danke dafür :)

    Liebste Grüsse Yafe

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    1. Hallo Yafe

      Ich danke dir auch! Weiss immer noch nicht so recht, wohin mein Post zielt, aber er musste einfach raus.

      LG Anne

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  2. Ich kann deine Gedanken gut nachvollziehen! Und Mai ist durchaus der passende Monat dazu, finde ich. Für mich spiegelt der durchaus den geisterhaften November. Und das mit den alten kranken Menschen kann ich unterschreiben, nach drei Jahren Pflege einer demenzkranken Mutti war ich echt am Ende. Jetzt ist sie in einem Heim. Ich habe dabei aber auch profitiert - je mehr man hinschaut bei Alter und Tod, desto mehr verliert es seinen Schrecken, finde ich.

    Bodecea

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